Mit einem breiten Spektrum an optischen, strahlendiagnostischen und materialanalytischen Untersuchungsverfahren werden am RED die Zusammensetzung und der technische Aufbau von Kunstwerken ermittelt. Wir identifizieren Degradationsprozesse, Schwachstellen und Schäden, lokalisieren alte Überarbeitungen und Ergänzungen und können Aussagen zur Bestimmung von Echtheit, Herkunft und Provenienz ableiten.
Je nach Fragestellung wenden wir meist eine Kombination relevanter Verfahren an, die alle unterschiedliche Erkenntnisse generieren. So können z.B. mit Hilfe von Infrarotstrahlung Unterzeichnungen unter der Malerei sichtbar gemacht werden, während mit UV-Strahlung spätere Ergänzungen und Retuschen sichtbar werden. Zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden, für die dem Original keine Proben entnommen werden müssen, sind immer die erste Wahl. Grundsätzlich werden alle Objekte einer Untersuchung unterzogen, bevor ein Behandlungskonzept erstellt wird.
Stereomikroskopie
Bei der stereomikroskopischen Untersuchung betrachten wir das Objekt bei bis zu 60facher Vergrößerung. Oberflächenstrukturen, Schichtenabfolgen und Werkspuren geben Hinweise auf Entstehungsprozesse und spätere Überarbeitungen. Und feinste Risse Lockerungen oder Abhebungen, die dem bloßen Auge entgehen, geben Aufschluß über den tatsächlichen Zustand des Objekts.
Auch bei komplexen Untersuchungen mit unterschiedlichsten Verfahren ist die Stereomikroskopie meist der erste Schritt, und häufig erfolgt nicht nur die Untersuchung, sondern auch die Behandlung von Objekten unter dem Stereomikroskop.
Mikroskopische Probenauswertung
Zur genauen Identifikation von Materialien und Techniken kann die Entnahme und Untersuchung winziger Materialproben sinnvoll sein. Diese werden dann bei bis zu 1000facher Vergrößerung unter Durchlicht, Auflicht, UV-Licht, Normallicht, Hellfeld oder mithilfe von Polarisationsfiltern untersucht. Je nach Fragestellung und Auswertungsmethode müssen die Proben vor ihrer Mikroskopierung präpariert werden. Für die Bestimmung von Holzfasern zum Beispiel können Dünnschnitte angefertigt werden, und für die Untersuchung eines Malschichtaufbaus werden Proben in Kunstharz eingebettet und nach Aushärtung angeschliffen. Durch Auswertung dieser sogenannten Querschliffe können dann Aussagen über Abfolge, Aufbau, Farbigkeit und Dicke der Bildschichten getroffen werden, aber auch über Abbauprozesse und Veränderungen.
UV-Fluoreszenz-Untersuchung
Regt man die Oberfläche eines Objekts mit UV-Strahlung an, dann fluoreszieren die Bindemittel, Pigmente und andere Materialien je nach Zusammensetzung und Alter auf unterschiedliche, charakteristische Weise. Je älter z.B. ein Harzfirnis (der klare Überzug auf Gemälden) ist, desto stärker fluoresziert er. Spätere Retuschen, Übermalungen und Ergänzungen werden dann als dunkle Flecken in der Fluoreszenz sichtbar, auch wenn sie sich mit bloßem Auge nicht vom Original unterscheiden lassen. Umgekehrt können je nach Material auch die Ergänzungen stärker fluoreszieren als das Original, zum Beispiel wenn ein Glasgefäß Kunststoffergänzungen aufweist. Manchmal können sogar anhand von Bindemittelresten verblichene Stempel, entfärbte Beschriftungen oder verlorene Signaturen sichtbar gemacht werden. Obwohl auch einige Pigmente charakteristische Fluoreszenzen aufweisen, eignet sich die UV-Fluoreszenz nicht zur Pigmentbestimmung, da die Pigmente am Objekt in der Regel in Mischung mit fluoreszierenden Bindemitteln auftreten.
Infrarotreflektographie (IRR)
Dieses Verfahren kommt häufig zum Einsatz, wenn Erkenntnisse zur Entstehung eines Werkes gewonnen werden sollen. Die unsichtbare Infrarotstrahlung durchdringt die oberen Farbschichten eines Objektes und kann verborgene Unterzeichnungen, verworfene Skizzen oder übermalte Entwürfe sichtbar machen, wenn diese aus kohlenstoffhaltigen Materialien wie Kohle oder Bleistift bestehen. Der Kohlenstoff absorbiert die IR-Strahlung und erscheint in der Reflektographie dann schwarz. Andersfarbige Pigmente dagegen reflektieren die Infrarotstrahlung und bilden entsprechende Farbflächen als Grauschattierungen ab. Das resultierende IR-Reflektogramm ist daher ein Schwarz-Weiß-Bild.
Anders als bei der UV-Untersuchung kann der Befund nicht mit dem menschlichen Auge, sondern nur mit einer speziellen Infrarotkamera eingefangen werden.
Multispektralanalyse
Die Multispektralanalyse ist ein komplexes bildgebendes Verfahren, das Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und Verteilung von Materialien, wie z.B. die Pigmente einer Farbschicht, ermöglicht. Durch Erzeugung einer flächigen Übersicht unterstützt sie die Identifikation von relevanten Objektpartien für punktuelle Beprobungen oder Analysen wie die Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA).
Bei der Multispektralanalyse wird das Objekt unter verschiedenen Strahlungen im sichtbaren, infraroten und ultravioletten Spektrum mit einer hochauflösenden Spezialkamera fotografiert. Dabei werden für jeden Wellenlängenbereich spezielle Filter vor das Kameraobjektiv gesetzt, um die materialspezifischen, charakteristischen Reflexionen und Lumineszenzen aufzuzeichnen. Die bilddiagnostische Auswertung wird unterstützt durch eine Konstellation verschiedener Farb- und Materialreferenzen, die mitfotografiert werden, sowie die Erstellung von Falschfarben-Kompositen mittels Bildbearbeitungssoftware.
Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA)
Die Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) ist eine zerstörungsfreie Analysetechnik zur Bestimmung der Elementzusammensetzung auf einer Objektoberfläche. Ohne Probenentnahme lassen sich z.B. Metalllegierungen oder verwendete Pigmente qualitativ und quantitativ bestimmen. Das Verfahren kann auch dazu beitragen, nicht-originale Materialien zu erkennen und spätere Ergänzungen oder sogar Fälschungen aufzuspüren.
Das portable Handgerät wird dabei direkt auf die Objektoberfläche aufgesetzt und erzeugt eine geringe Röntgenstrahlung, die die vorhandenen Elemente zu einer charakteristischen Fluoreszenz anregt. Die von der Objektoberfläche emittierte Fluoreszenz wird dann von dem Gerät aufzeichnet und als Spektrum dargestellt, das die vorhandenen Elemente und ihre Häufigkeit anzeigt. Die Interpretation der Spektren erfordert profunde kunsttechnologische Fachkenntnisse.
Röntgenuntersuchung
Röntgenstrahlen können Objekte tief durchdringen und ihre Unterkonstruktionen, Holzverbindungen oder auch übermalte Malereien sichtbar machen. Auch verborgene Schäden im Innern eines Objekts, wie z.B. die Korrosion von metallenen Armierungen, können mit Röntgenstrahlung identifiziert werden.
Der mobile Röntgenstrahler am RED verfügt über einen Spannungsbereich von 80 bis zu 200 kV, so dass neben leicht zu durchdringenden Stoffen wie Papieren oder Geweben auch sehr dichte Materialien wie Metalle untersucht werden können.
Die verschiedenen Materialien, aus denen ein Objekt besteht, absorbieren und reflektieren die Strahlen unterschiedlich, wodurch sie in Grauabstufungen auf dem digitalen Bild erscheinen. In einem speziell abgeschirmten Strahlenschutzraum werden die Objekte geröntgt. Großformatige Werke erfordern mehrere Aufnahmen im Rasterverfahren, die anschließend zu einem digitalen Gesamtbild zusammengefügt werden.