25.07.2024
TeilenVom Datendschungel zum Wissensspeicher: Das Projekt “Knowledge Base” am RED
Seit fast 50 Jahren erzeugt das RED Texte, Bilder und Dateneinbankeinträge zu den Düsseldorfer Sammlungsobjekten. Um aus zigtausenden Dateien und analogen Medien einen verwertbaren Wissensspeicher zu entwickeln, beschäftigt sich nun ein neues Projekt am RED mit der Organisation von Wissen durch Erzeugung strukturierter Ablagen und Metadaten.
Von
Eva Schoel
Zeitraum
01.2024 - 12.2025
Tags
Das Wissen zu den Düsseldorfer Sammlungsobjekten, das am RED im Rahmen von Untersuchungen, Behandlungen und Dokumentationen laufend generiert wird, schlägt sich in Abertausenden von Texten, Bildern und Datenbankeinträgen nieder. Im Laufe der bald 50jährigen Institutsgeschichte hat sich so ein enormer Wissensschatz angereichert. Doch wie können wir dieses Wissen strukturieren und organisieren, um mithilfe maschineller Interpretation eine Tiefenerschließung und optimierte Verwertung zu erreichen?
Besonders die über 100.000 digitalen Fotografien und 46.500 analogen Abzüge, Dias, Negative und Röntgenfilme stellen eine besondere Herausforderung dar. Während sich die Inhalte elektronischer Text-Dokumente einfach per Schlagwortsuche durchsuchen lassen, benötigen bildlich-visuelle Inhalte einheitliche und geordnete Metadaten-Beschreibungen, damit Bildinhalte maschinell gefiltert und gefunden werden können.
Mit dem Projekt “Knowledge Base” widmet sich das RED der Strukturierung und Formatierung seines institutionellen Wissens, und hat nun im ersten Schritt damit begonnen, alle digitalen und analogen Abbildungen zusammenzuführen und mit einer Metadatenstruktur auszustatten, die nicht nur komplexe Suchen, sondern auch neue Bezüge und Quervernetzungen innerhalb der Knowledge Base ermöglichen. Der Aufbau der Knowledge Base erfolgt nach den sogenannten FAIR-Prinzipien: Die Dateien sollen auffindbar (findable), zugänglich (accessible), interoperabel (interoperable) und wiederverwendbar (reusable) sein.
Ein Projekt muss her!
Der ehrgeizige Plan für eine nachhaltige und zukunftfähige Knowledge Base am RED könnte ohne zusätzliche Ressourcen nicht realisiert werden. Schließlich sollen nicht nur die bereits vorhandenen Dateien erschlossen werden, sondern auch grundlegend neue Richtlinien und Workflows für die aktuelle Wissensablage, insbesondere die digitale Bildproduktion und -archivierung entwickelt werden. Deshalb wurde für das Projekt “Knowledge Base” eigens ein zweijähriges Volontariat für wissenschaftliche Dokumentation eingerichtet. Seit Januar 2024 erarbeitet nun die Historikerin Eva Schoel den Projektplan und setzt diesen in enger Zusammenarbeit mit den RED-Fachbereichen sukzessive um. Dabei nimmt sie nicht nur selbst die Sicherung und Beschreibung von Bilddateien vor, sondern begleitet auch die Bilderzeuger:innen mit Einweisungen, Hilfestellungen sowie Gruppen- und Einzelschulungen.
Metadaten als Schlüssel zum Bild
Die fotografische Erfassung, Untersuchung und Dokumentation von Kunst- und Kulturgut ist ein integraler Bestandteil der Konservierung und Restaurierung. Bildgebende Aufnahmeverfahren generieren und speichern Wissen, das unser Verständnis von Kunstobjekten, ihrer materialtechnischen Zusammensetzung, ihrer künstlerischen Genese, ihrem Zustand, ihrer Provenienz und ihrer restauratorischen Behandlung ausmacht. Im Archiv des RED befinden sich daher viele Tausend Zustandsfotos, Röntgenbilder, UV-, Infrarot- und Multispektralaufnahmen, Mikroskopbilder, Querschlifffotos und Dokumentationsfotos von Restaurierungen. Um diese vielfältigen Bildinhalte klassifizieren und mit einem kontrollierten Vokabular über Metadaten beschreiben zu können, haben wir uns für ein Bildverwaltungsprogramm entschieden, das detaillierte Eintragungen auch im Stapelverfahren ermöglicht, über gute Filterfunktionen verfügt, einfach zu bedienen ist sowie gratis erhältlich und weit verbreitet ist. Im Sinne einer Nachhaltigkeit unserer Metadatenanreicherung haben wir das Bildverwaltungsprogamm auch auf die Exportfähigkeit und Kompatibilität der Datensätze mit anderen Bildverwaltungsprogrammen getestet, falls die Software in der Zukunft obsolet wird.
Technische Metadaten, wie z.B. das Aufnahmedatum, das Kameramodell oder die Brennweite werden in der Regel bereits automatisch von der Kamera erzeugt und in die Bilddatei eingebettet. Andere Angaben zu Kunstwerk, Bildbeschreibung, Aufnahmeort, Autor:in oder Urheberrecht müssen jedoch manuell hinzugefügt werden. Diese Informationen sind nicht nur für eine schnelle Nachvollziehbarkeit des Bildinhaltes notwendig, sondern erlauben es auch, gezielte Suchanfragen zu starten, um sich beispielsweise alle Bilder zu einem bestimmten Objekt oder Thema anzeigen zu lassen. Ein Ziel des Projektes “Knowledge Base” ist eine vertiefende Ausstattung mit Metadaten, die auch Schadensphänomene, Materialien und Restaurierungsmaßnahmen in den Blick nehmen. Auf diese Weise kann das Bildarchiv auch objektunabhängige, übergeordnete Suchen ermöglichen, die neue Zusammenhänge z.B. für die konservierungswissenschaftliche oder kunsttechnologische Forschung aufzeigen.
Fusion der Formate: Von analog zu digital
Ein wichtiges Ziel für die neue Knowledge Base ist die Zusammenführung von jüngeren digitalen und älteren analogen Medien, die künftige Objekt- und Restaurierungsgeschichten durch ergänzende Metadaten mühelos recherchierbar machen sollen. Deshalb soll sich an die derzeitige Sichtung aller analogen Medien auch ein Teilprojekt anschließen, das sich mit der Digitalisierung und Metadaten-Einpflege der analogen Medien befasst.
Gerade die Zusammenführung von analogen und digitalen Medien kann spannende Erkenntnisse zutage fördern, wenn z.B. ein Objekt im Laufe der Jahrzehnte mehrfach den Weg ins RED gefunden hat. Mit einer einzigen Suchanfrage könnten z.B. die analog angefertigten, gescannten Röntgenbilder aus den 1980ern und die aktuellen digitalen Röntgenbilder des gleichen Objektes aufgerufen und verglichen werden. Oder eine Suchanfrage könnte alle Röntgenaufnahmen aufrufen, die über die Jahrzehnte z.B. die Armierungskonstruktionen verschiedenster Skulpturen aus Gips dokumentiert haben.
Aktuelle Fotoproduktion am RED
Das Projekt “Knowledge Base” befasst sich nicht nur mit historischen Bildern, sondern auch mit den Prozessen der laufenden Bildproduktion. So entstehen am RED fast täglich neue Fotos, z.B. im Rahmen von Objekt-Behandlungen. Um den Zustand vor, während und nach einer restauratorischen Maßnahme zu dokumentieren, werden hochauflösende und allansichtige Bilder angefertigt. Es entstehen also mindestens sechs bis 18 Fotos pro Objekt!
Ergänzt werden diese Vor-, Zwischen- und Nachzustandsfotos durch Untersuchungsfotos, die im Rahmen des breiten Spektrums optischer, strahlendiagnostischer und materialanalytischer Untersuchungsverfahren am RED entstehen und die die Zusammensetzung und den technischen Aufbau der Kunstwerke ermitteln. Neben den Objektfotos entstehen aber auch ständig neue Aufnahmen für die Kommunikation und Vermittlung am RED: Arbeitsfotos von Restaurator:innen, Fotos von Veranstaltungen, Führungen, Vorträgen und Besuchen, oder auch Mitarbeiterporträts, die alle ihren Weg in die Knowledge Base finden sollen.
Team Knowledge Base
Um sicherzustellen, dass alle Anforderungen an einen strukturierten Wissenspeicher - sowohl inhaltliche als auch technisch-archivarische - berücksichtigt werden, hat sich am RED eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet. Das Kernteam, bestehend aus Jessica Morhard (Fotorestauratorin), Katharina Klauke (Restauratorin für Holz und moderne Materialien) und Eva Schoel (Wissenschaftliche Dokumentation), hat nun in enger Abstimmung mit allen Stakeholders einen Projektstrukturplan erarbeitet, der die Ziele und Arbeitsaufgaben zur Umsetzung der Knowledge Base festlegt. Gemeinsam wurden Standards zu Bildformaten, Metadaten und Benennungsschemata am RED erarbeitet, die in einem ausführlichen Handbuch zur digitalen Fotografie am RED zusammengefasst wurden. In der aktuellen Projektphase werden nun die Bilddateien, die sich noch auf alten Rechnern und externen Festplatten befinden, auf einem eigens dafür eingerichteten Server zusammengeführt, um sie in die Knowledge Base einpflegen zu können.
Nachdem das Kernteam Arbeitspakete und Aufwandsschätzungen identifiziert hat, beginnt nun die Implementierung im Team: Schritt für schritt, in wöchentlichen Stundenkontingenten, bearbeiten alle Mitarbeiter:innen des RED ihre Altdaten nach den neuen Standards und reichern diese mit strukturierten Metadaten an, um sie aus dem Datendschungel in den Wissensspeicher zu überführen. Diese selbständige Arbeit wurde durch gezielte Team-Schulungen im Vorfeld ermöglicht, über die Eva Schoel ihre Kolleg:innen in das Bildverwaltungsprogramm und in die neuen Standards eingearbeitet hat.
Nachhaltigkeit mitdenken
Damit ein digitaler Wissenspeicher mindestens so nachhaltig wie ein analoges Archiv sein kann, müssen viele Entscheidungen und Vorkehrungen getroffen werden. Bei der digitalen Ablage sollte es sich um einen laufend gewarteten Server handeln, der durch RAID-Systeme, Spiegelungen und externe Back-up-Strategien eine ausreichende Datenredundanz und -sicherheit gewährleistet. Am RED ist der Fachbereich Medienkunstrestaurierung für die Aufsicht und Pflege des Servers zuständig. Darüber hinaus versuchen wir, soweit vorhanden, Normdaten für die Verschlagwortung in den Metadaten zu verwenden. Diese dienen als Verzeichnis von normierten Begriffen zur Verwendung als Deskriptor in der Dokumentation. Eine eigene Normdatenbank speziell für die Bedürfnisse von Restaurator:innen gibt es bislang jedoch nicht.
Wir wollen auch neue Technologien mitdenken, die laufend neue Möglichkeiten bieten. Wie kann uns z.B. künstliche Intelligenz bei unserer Arbeit unterstützen? Zur Zeit müssen wir die erweiterten Metadaten noch händisch in die Dateien eintragen, wofür auch die fachliche Expertise unserer Restaurator:innen notwendig ist. Wenn künstliche Intelligenz diese Aufgabe für uns übernehmen könnte, würden wir viel Zeit und Arbeit sparen. Eines ist sicher: Der Aufbau und die Pflege einer Knowledge Base ist ein kontinuierlicher Prozess, doch für uns wird der Aufwand durch den enormen Mehrgewinn einer umfassenden Wissensbasis am RED allemal gerechtfertigt.